Winter an der Isel
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„Das ist die ruhigste Zeit im Jahr“
An der Isel gilt dies noch, was sonst in unserem Lande schon längst nicht mehr stimmt (Weihnachtshast bereits früh durch den Advent, rastlose Hektik auf den Schipisten …).
Verstummt ist das mächtige Rauschen der sommerlichen Schmelzwässer ihrer Gletscher.
Im schneearmen Früh- und später dann im Hochwinter gibt es einen ganz anderen Fluss zu entdecken, mit einer Fülle von leisen Details, deren Erleben durch die Stille vertieft wird.
Kommen Sie mit, nehmen Sie sich Zeit, die vielen kleinen Kostbarkeiten eines winterlichen Flusses zu erleben, gehen Sie ganz einfach hin zur Isel – immer wieder!
Früher als weiter drunten hat hier heroben im Umbaltal die kalte Jahreszeit Einzug gehalten. Wo vor wenigen Monaten ihre kraftvollen oberen Katarakte stäubten, liegt die Isel nun nahezu verborgen unter der Schnee- und Eisdecke des Frühwinters.
Nur der Widerschein von den Bergmahdhängen des Wiesenberges hellt die schmale Talfurche etwas auf.
Kaum wieder zu erkennen in ihrem Eismantel sind die im Sommer sprühenden, von Regenbogen überspannten Wasserstufen der Isel an den unteren Katarakten.
Auch die Seitenbäche der Isel – wie hier der Großbach im Umbaltal – sind durch den Winter gezähmt und spärlich geworden; auch ihr Wasser ist schon im Spätherbst zu einem guten Teil zu Eis erstarrt.
Ganz verschieden können die Gesichter der Isel im Winter sein. Auch wenn der Schnee noch fehlt, der Reif kam mit der Kälte. Die Sonne steht nieder in den kurzen Tagen des Dezembers, ihr Schein liegt noch auf den Gipfeln, während die blauen Schatten des Nachmittags schon das Tal füllen.
Die Wege an den Ufern sind ruhig geworden; keine Gruppen von sommerlichen Radfahrern bevölkern sie mehr. Nun ist die Zeit da für stille Wanderer und Beobachter.
Wo die tiefstehende Wintersonne an engeren Stellen des Tales nicht hinreicht, wächst der Reif zu einer dicken Schicht. Auf einer Schotterbank stehen die feingliedrigen Zweige der Tamarisken zart vor der dunkleren Kulisse des Erlenwaldes am Ufer dahinter.
Nachdem das Sommerhochwasser der Isel einen Wurzelstock mitgetragen und zerfasert hatte, ließ es ihn auf einer Schotterbank zurück.
Nun zeichnet der Reif die feinen Strukturen des Holzes nach und lässt in unserer Phantasie verschiedenste Figuren entstehen.
Beim ersten Frost ließ das Wasser auf dem gerundeten Flussstein einen Überzug aus Eis entstehen.
Es ist noch kälter geworden, der Wasserstand der Isel fiel weiter, ein Rüschenhäubchen aus Eis blieb zurück, das an dieser schattigen Stelle seinen Träger noch lange zieren wird.
Nicht mehr metertiefes Wasser in diesem Seitenarm der Isel, sondern nur mehr eine milchglänzende Eisschicht, die nicht einmal die größeren Steine der Flusssohle decken kann.
Nicht nur die Eisränder um die Schotterzunge, sondern auch die winterliche Klarheit des Wassers in der Isel lassen die Jahreszeit erkennen.
Nur Bruchteile ihrer sommerlichen Wasserfülle führt die Isel im Winter. Hier sucht sie sich in bescheidenen Gerinnen zwischen den nun besonders breiten Schotterbänken ihren Weg talauswärts.
Die vielfältigen Spuren auf den freien Uferflächen der Isel zeigen von heimlichen, aber regem Leben entlang des Flusses.
Ihr erster Winter: Eine Jungtamariske auf einer reifbedeckten Sandbank der Isel.
Im nächsten Jahr wird sie schon zwei Spannen hoch werden und ab dem übernächsten Jahr blühen und fruchten.
Reifkristalle funkeln in der Sonne. Die Tamarisken tragen sie – zumindest für kurze Zeit - statt ihrer schmalen graugrünen Blätter, die sie zum Schutz vor der Wintertrocknis abgeworfen haben.
Eine kalte Winternacht ist vorbei. In der steigenden Sonne funkeln die dünnen Eisschollen, die auf der Isel treiben. Deren Wasser ist nun so klar, dass sich jeder Stein auf ihrem Grunde zeigt.
Und da sitzt sie nun auf einmal, die Wasseramsel - ein braunschwarzer Vogel mit weißem Brustlatz, der sich von seinem eisigen Sitzplatz deutlich abhebt.
Wasseramseln brauchen offenes Fließwasser. Die kleineren Seitenbäche frieren nach und nach zu; daher sind diese Vögel nun in größerer Zahl an der Isel zu finden. Auch führt die Isel jetzt - anders als im Sommer - Klarwasser; dadurch kann die Wasseramsel mit größerem Erfolg jagen.
Nach kurzer Rast auf einer Eisscholle oder einem Stein stürzt sie sich kopfüber ins strömende Wasser, taucht dort vollständig unter und sucht unter Wasser - mit ihren Flügeln rudernd - nach Insektenlarven. Sie bringt es dabei auf eine halbe Minute Tauchzeit und 20 Meter Unterwasserstrecke.
Nachdem sie anderer Stelle wieder aufgetaucht ist, fliegt sie meist ein Stück flussaufwärts und sucht sich einen neuen Sitzplatz.
Die aufgehende Sonne bringt die Morgennebel zum Leuchten. Dem dicken Eispanzer über dem Wasser aber wird sie nichts anhaben können.
Durch den niederen Winterwasserstand nun besonders deutlich zu sehen: Die Isel hat noch unverbaute Uferstrecken, an denen sie arbeiten kann wie früher auch andere Flüsse. Hier drückte sie mit ihrem kräftigen Sommerwasser an das „Prallufer“ und grub Teile davon ab.
Vergängliche Schönheit nach der frostigen Nacht: Zarte Reifkristalle auf der Eisdecke der Isel.
Wie eiserstarrt die Oberfläche der Isel auch erscheinen mag – das Leben in ihrem jetzt klaren Wasser ist gerade in dieser Zeit besonders reichhaltig und aktiv. Für viele Kleinorganismen auf und im Schotterbett der Flusssohle sind die Verhältnisse jetzt besonders günstig.
Im Spätwinter steigt die Sonne rasch höher und füllt das Tal in seiner ganzen Breite mit Licht.
Die Isel unterhalb von Schloss Bruck in Lienz
Über Nacht ist Neuschnee gekommen. Er macht die Welt noch stiller und dämpft auch die Geräusche des sonst so geschäftigen Treibens in der Iselstadt Lienz.