Die Anregungen der Tiroler Landespolitik, die Gemeinden sollen Kraftwerke für ein Zusatzeinkommen bauen, führt zu einer regelrechten Goldgräberstimmung in Osttirol.
Am Beispiel der größeren neuen Projekte in Osttirol wird die Wasserkraftlüge besonders deutlich. Die Standardphrasen der Landesregierung von „Selbstständigkeit“, „Unabhängigkeit“ und „Versorgungssicherheit“ im Strombereich werden nirgendwo so deutlich widerlegt wie durch die beiden Projekte Tauernbachkraftwerk und Virgentalkraftwerk:
Unter fortgesetztem Landschaftsverbrauch Kraftwerke bauen, die dann am wenigstens oder gar keinen Strom liefern, wenn am meisten benötigt wird??
Der neueste, vorzeitig bekanntgewordene Anschlag auf einen ganz besonderen Fluss macht den stromwirtschaftlichen Widersinn für jeden Hausverstand sichtbar:
Auf der linken Seite des Bildes die Isel In Hinterbichl in ihrer winterlichen Wasserarmut (obwohl sie in Streden schon den Maurerbach aufgenommen hat!); wieviel kann man hier noch ausleiten?
Auf der rechten Seite des Bildes das Bachbett des Dorferbaches (der Islitz) aus dem Prägrater Dorfertal: Es ist überhaupt fast wasserlos.
Das Wasser des Dorferbaches sollte eigentlich die Turbine des "Ökostromkraftwerkes Dorferbach" antreiben. Im Jahre 2006 wurde dieses Kraftwerk eröffnet; beim theatralischen Spatenstich im Jahr zuvor hatten (Osttiroler Frauen protestiert und damit den Startschuss für die Ablehnung des Pumpspeicherwerkes Raneburg-Matrei gegeben).
Das Kraftwerk Dorferbach der TIWAG ist inzwischen ein Lehrbeispiel für ein erzeugungsmäßig widersinniges Kraftwerk geworden. Schon im ersten Winter nach Inbetriebnahme stand es aus Wassermangel trotz zusätzlicher Beileitung des Zopanitzenbaches!) im Winter wochenlang still.
Schon im ersten Betriebsjahr musste wegen des Gletscherschliffes die Turbine des Kraftwerkes ausgetauscht werden - seither immer wieder, bis zu zweimal jährlich (wenigstens Dauerarbeitsplätze für Turbinenbauer).
Ein Ortsaugenschein in Hinterbichl am 4. und am 6. März 2011 zeigte, dass das Kraftwerk Dorferbach schon wieder stillsteht - besonders deutlich dokumentiert durch das Schaudisplay an der Vorderfront des Krafthauses:
Aktuelle Leistung NULL!
Die Situation des „Sommerkraftwerkes“ Tauernbach der TIWAG und seine Aufgabe als Gemeindesanierer ist schon mehrfach dargestellt worden; sogar interne Stellungnahmen der Landesregierung hielten es für unsinnig.
Widerstände in der Gemeinde werden dadurch verringert, dass die Gemeindeführung sehr breit gestreute Benefizien durch die TIWAG in Aussicht stellt. Im Bild links der Tauernbach bei Raneburg - fast wasserlos von vorneherein. Ein Tauernbach-Kraftwerk stünde monatelang still.
Einen ähnlichen kontraproduktiven Beitrag zur "Versorgungssicherheit" böte wohl auch das geplante „Wasserkraftwerk Virgental“ an der Isel, da diese als Gletscherfluss ebenfalls nahezu kein Winterwasser führt.
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Wie wenig Wasser - obwohl sie in Matrei schon den Tauernbach aufgenommen hat - die Isel als Gletscherfluss im Winter tatsächlich führt, zeigt auch diese Aufnahme aus Huben vom 6. März 2011.
Das "Kraftwerk Virgental" wäre ja von gleichem Zuschnitt wie das Dorfertalkraftwerk und Tauerntal-Projekt – mit einem kleinen Unterschied allerdings: In schlauer Taktik werden zu seiner Umsetzung zwei Gemeinden als Betreiber vorgeschickt. Damit unterläuft man einen allfälligen Widerstand der Bevölkerung vor Ort – welcher Bürger und welcher Gemeinderat hätte gegen ein arbeitsloses Zusatzeinkommen etwas einzuwenden? Die spätere Übernahme durch die TIWAG ist schon vorgesehen.
Der tatsächliche Hintergrund der neuen Tiroler Kraftwerkseuphorie, die stromwirtschaftlich derart widersinnige Vorhaben wie Virgental- oder Tauernbachkraftwerk hervorbringt, wird immer deutlicher:
Gemeinden sollen wohlfeiles Geld bekommen – Geld aus demontierter Landschaft - auf Kosten vieler weiterer Generationen,
auch wenn dafür alpenweite Besonderheiten wie der Gletscherfluss Isel geopfert werden,
auch wenn dies stromwirtschaftlich ausgesprochen widersinnig ist (in Zeiten höchsten Strombedarfes Minimalleistung oder sogar Stillstand!),
auch wenn dies in keiner Art und Weise durch das Wasserrechtsgesetz gedeckt ist (nirgendwo steht dort, dass öffentliche Gewässer zur die Sanierung von Gemeinden da sind),
auch wenn dies dem Grundgedanken der Wasserrahmenleitlinie der Europäischen Gemeinschft widerspricht (Verschlechterungsverbot).
Da eine Umsetzung dieser Begehrlichkeiten von der Gesetzeslage her nicht einfach ist, werden auch obskure Methoden benützt:
Die Einbindung von Kraftwerksplanern in die Erstellung des Kriterienkataloges Wasserkraft
Die Auslagerung der Amtsgutachtertätigkeit an private Kraftwerksplaner
Aber:
Osterreichs verbliebene Wasserläufe sind nicht Privatbesitz von Gemeinden oder von Stromkonzernen - sie gehören uns allen!
Und vielen Menschen nach uns.
Das Projekt "Wasserkraftwerk Virgental" - Stand 6.3.2011